Meine Erfahrung mit Blaualgen beim Einfahren von Aquarien

Blaualgen waren für mich ein Fremdwort, bis ich nach einem Umzug und einem Jahr Abstinenz beschloss, wieder ein Aquarium aufzustellen. Bisher war ich arme Studentin, die ersten Aquarien waren am Anfang nur mager mit Pflanzen bestückt worden, den Aquarienkies hatte ich immer wiederverwendet. Als Beleuchtung gab es Lichtfarbe 11,21,31,77, je nachdem, was damals greifbar war. Die beiden 60er Aquarien enthielten einmal Vallisnerien und Hygrophila, einmal einen Echinodorus und einen Hornfarn, das spätere 250er nahm dann Pflanzen und Insassen der 60er auf.
Im Ausland gab es dann noch ein 50er Aquarium mit einem Hornfarn und einigen Wasserpest-Ranken, beleuchtet mit einer 77er Röhre, auch dieses war die ganzen 2 Jahre lang blaualgenfrei.

Blaualgen, die erste:

Den alten Kies hatte ich noch, das 250l-Aquarium mit der Abdeckleuchte, dem Unterschrank, der Heizung und dem Eheim-Filter auch, also stand dem nichts mehr im Weg. Diesmal wollte ich alles schön klassisch nach empfohlenen Methoden (Das Optimale Aquarium) machen, die Beleuchtung mit den zwei LSL mit Lichtfarben 11 und 31 stimmte, die Kiesmenge und Körung ebenfalls, genauso verhielt es sich mit der Heizung und dem Filter.


Gesagt, getan, es war August, erstklassiges Wetter zum Kies- und Wurzelkochen und -waschen, derweil konnte der Dichtetest laufen und der Filter mit Wattefüllung einfahren. Dann Kies rein, alte Wurzeln rein, die gingen brav unter, Steinbauten aufgebaut, Heizer an, Urlaub zu Ende und fertig.
Die Lichtmessung ergab 5000Lux in halber Aquarienhöhe, genug auch für hungrige Pflanzen, die Temperatur pendelte sich bei 24o ein, der Durchfluß auf 300l/Stunde.

4 Wochen später, das Wasser war wunderbar klar, dachte ich, jetzt könnten mal die Pflanzen rein. Die Rotalas haben im Gartenteich überlebt, da gab's dann erst mal 2 Büsche, dann ging's auf zum Zooladen. Mit Javafarn, etlichen Hygrophilas und Riesenvallisnerien kam ich zurück, Farn an die Steinhöhlen, Vallisnerien an den Filtereinlauf, Hygrophilas um die Wurzeln 'rum, vorne einen "Schwimmstreifen" freigelassen, Wochenende um, fertig.

Am nächsten Wochenende machte ich eine merkwürdige Beobachtung: einige Blätter hatten einen samtig-dunkelblauen Überzug!
Da nach geltenden Theorien Blaualgen nur in versifftem, nitratreichem Wasser vorkommen können, dachte ich mir noch nichts dabei, wischte das Zeug etwas ab, und das war's. Wo soll der Siff schon herkommen? (dachte ich)
Zum nächsten Wochenende war die Katastrophe perfekt: ich hatte die dunkelgrüne Hölle! Alles war mit dem Schmier überzogen! Wieso? Ich hatte doch alles richtig gemacht, schön klassisch nach Buch! Genug Zeit hatte ich auch gelassen (dachte ich damals). Und die Wasserwerte waren mit <10mg/l Nitrat, Nitrit n.n. doch traumhaft!

Krampfhaft versuchte ich mich zu erinnern, was man bei Blaualgenbefall macht. Da war doch so was wie eine Dunkelkur in "1000 Tips für Aquarianer" das Buch war bei einem der Umzüge verschütt gegangen. Also Licht aus, Decke drüber für 1 Woche, und Hoffen und Bangen.
Dann am nächsten Wochenende (es war schon Mitte Oktober) die Decke weg und Licht an: es grüßten die Rotala-Gerippe mit einigen Blättchen, die Riesenvallisnerien, alles andere lag vermatscht auf dem Boden, schon vor der Kur erstickt :-(
Traurig holte ich den Mist raus und ließ erst mal Aquarium Aquarium sein.
Das war vielleicht nicht das Schlechteste, die Vallisnerien marschierten durchs Aquarium, die Rotalas bildeten neue Triebe. Nach weiteren 14 Tagen bekam ich wieder Spaß an der Sache, hatte meinen Stamm-Aquarianer von einst wiedergefunden und wollte mit ihm über die Algenpest sprechen. Der war nur so seltsam verschlossen und meinte, jeder hätte da eine andere Theorie. Mit einer Hornkraut-Ranke und etwas Javamoos kam ich zurück.


Das Aquarium hatte bis Weihnachten so eine lockere Bepflanzung, dann gab ich 5 Schwarze Schwertträger zu, die sich sofort wohlfühlten.
Bis Ostern war es dann total zugewachsen mit Pflanzen und Fischen. Blaualgen traten in diesem Becken nie wieder auf.


Blaualgen, die zweite:
Gegenbeispiel

Umzug war mal wieder angesagt. Außerdem war ich die Riesen-Vallisnerien leid, die ich so jede Woche einkürzen durfte.
Heilig war mir der eingefahrene Kies, der wurde wie ein rohes (zu bebrütendes) Ei behandelt. An Pflanzen nahm ich nur etwas Hornkraut und einige Rotalas (so schön farbig) mit sowie ein Schwertträgerpärchen. Dass es zwei Männchen waren, kam erst später raus.
Unterschied zum bisherigen Aquarium: die gut 20 Jahre alte Abdeckung ließ mich im Stich, das Maß gab es heute nicht mehr, also gab es zwei HQL-Lampen, und das Aquarium wurde offen gefahren.
Nach einer Woche gab es einen Echinodorus, je ein Büschel Hygrophila und Bacopa, 3 Vallisneria spiralis und Cabomba dazu, also eine sehr lockere Bepflanzung, nach einer weiteren Woche folgten 4 junge Schwertträger. Blaualgen? Ja, sie haben sich an der Hygrophila und den Cabombas versucht, dann wurden einige in der oberen Schicht des Kieses gesichtet, immer dann, wenn der Filtereinlauf zugesetzt war und der Durchlauf zu wünschen übrigließ. Nach dem ersten Schwertträger-Nachwuchs waren sie weg.
Derzeitiger Stand: Ein Verhau aus Vallisnerien, verschiedenen Hygrophilas, Rotalas, Hornkraut, zwei Echinodorus-Monstern und wiederaufgetauchtem Javamoos sowie eine Horde Schwertträger, irgendwo dazwischen einige Cabomba-Ranken, Nitrat <20mg/l gegenüber 25 mg/l im Kranwasser.




Blaualgen, die dritte:
(Ein hamma noch)

Mutig geworden wollte ich eine dunkle Ecke mir einem 80cm-Aquarium verschönern, Einrichtung mal wieder nach "Das Optimale Aquarium". Diesmal mit Sandboden, weil die Pflanzen so gut darin wachsen sollen, LSL mit Lichtfarben 11 und 31, weil es echt das Beste für den Pflanzenwuchs sein soll, und Reflektor, damit das Licht auch im Aquarium landet. Wieder erreichte ich die 5000Lux, alles schien bestens.
Dann Pflanzen rein, nicht zu knapp, 12 Vallisnerien aus eigener Zucht, schon mal einen Echi aus Dennerles Zucht, etliche Hygrophilas, Bacopas und Rotalas, Hornkrautranken und natürlich Bodenbakterien aus eigener Zucht. Leider gab es nicht allzu viele, da die Schwertträger-Babies wohl Gefallen daran gefunden hatten.
Ergebnis: siehe ganz oben :-(, so nach 4 Wochen, 2 Wochen nach dem Nitrit-Peak, diesmal fing es am Boden an und wucherte wie verrückt. Naja, dann habe ich die Pflanzen mit etwas Dünger unterstützen wollen, Ergebnis: die Blaualgen waren schneller.
Anfang November wurden dann die Pflanzen gesäubert, die besseren wieder eingesetzt und eine 1-wöchige Dunkelkur durchgeführt. Das Aquarium war jetzt nur noch so ca 1/3 mit Pflanzen besetzt.
Diesmal grüßten nach einer Woche: der Echi, die Vallisnerien und die von Blaualgen befreiten Rotalas, Bacopas, Honkraut-Ranken und Hygrophilas.
Die Algen schienen auch verschwunden, allerdings zeigte sich unter den Lampen und auf dem Boden nach 1 Woche ein zart-blaugrüner Schimmer, und nach dem nächsten Wasserwechsel ging es wieder los.

Diesmal wollte ich nicht so lange warten, bis die Pflanzen ersticken, und als große WW nicht verhinderten, dass sie angegriffen wurden, habe ich Mitte Dezember dem AQ die 2.Dunkelkur verpasst.
Was war anders gelaufen als bei der erfolgreichen Kur vor 8 Jahren? Ah, damals hatte ich einen Sprudelstein im AQ, also kam er jetzt auch rein.
Anfang Dezember habe ich dann Boden und Pflanzen halbwegs gesäubert, die besser erhaltenen wieder eingesetzt und die Dunkelkur durchgeführt. Dabei wurde von außen Luft ins AQ geblasen, um den Fischen und Pflanzen den nötigen Sauerstoff zukommen zu lassen. Und das schien den Braten fett zu machen. Alle Pflanzen haben überlebt.
Jeden Morgen sehe ich nach dem verräterischen blaugrünen Schimmer, aber Blaualgen sind bis jetzt, toi, toi, toi, nicht wieder aufgetreten.




Zusammenstellung der Ergebnisse

Aquarium

Licht, alle gemessenen Werte in der Startphase um 5000Lux

Boden

anfängliche Bepflanzung

Fische in den ersten 6 Wochen nach Pflanzeneintrag

Nitratwerte

Blaualgen

60lLSL 77Baukies1 Hornfarn2 Schwertträger, 5 Guppiesnicht gemessenkeine
60lLSL 21grober Sand3 Vallisnerien5 Schwertträger, 5 Guppiesnicht gemessenkeine
250lLSL 77 und 21 oder LSL 31 und 11Baukies und der aus den beiden 60ern2 Echinodoren, 8 Vallisnerien, 1 Hornfarn-Monster, ein Busch Hygrophilas (alles Alt-Pflanzen) ca. 30% des Bodens bepflanzt6 Schwertträger, 15 Guppiesnicht gemessenkeine
50lLSL77frischer Aquarienkies 2-4mm KörnungHornfarn, 3 Wasserpest-Ranken5 Sumatrabarben nicht gemessenkeine
250lLSL 11 und 31eingefahrener Kies2 Echinodoren, 8 Vallisnerien, 1 Hornfarn-Monster, ein Busch Rotalas (bis auf die Rotalas alles Altpflanzen) < 50% des Bodens bepflanzt15 Schwertträgerca. 25mg/lkeine
250lLSL 11 und 31steriler KiesHygrophilas, Vallisnerien, 1 Javafarn, Rotalas, ca. 75% des Bodens bedeckt -<10mg/lPest 1 Monat nach Pflanzeneintrag
250lHQL de Luxeeingefahrener KiesVallisnerien, 1 Echinodorus, Rotalas, Hygrophila, Cabomba, Hornkraut, ca. 25-30% des Bodens bedeckt 6 Schwertträger10-25mg/lkaum Blaualgen
112lLSL 11 und 31Sand, nicht eingefahren3 Busch Hygrophilas, 12 Vallisnerien, 3 Busch Bacopas, 5 Busch Rotalas, 1 Echinodorus parviflorus, ca. 80% des Bodens bedeckt 10 Schwertträger-Babies<10mg/lPest 1 Monat nach Pflanzeneintrag

Fazit:

Die Blaualgenpest gab es nur 2x je in der Einfahrphase. Beide Male verschwanden sie vollständig nach einer Woche kompletter Dunkelheit.

  1. Ein Zusammenhang mit der Lichtfarbe konnte nicht festgestellt werden, die 77er war *keine* Algenzuchtleuchte.
  2. Ein mäßiger Fischeintrag spielt ebenfalls keine Rolle.
  3. Entgegen landläufiger Meinung spielte der Nitratgehalt auch keine Rolle, die Blaualgen gediehen prächtig in nitratarmen Aquarien.
  4. Pflanzeneintrag startet die Blaualgenkolonien. Das sieht man daran, dass der Wuchs erst nach Pflanzeneintrag losgeht. Es ist die Phase, wo die Pflanzen die Altblätter abwerfen und diese vergammeln. Fällt nur mäßig Debris an, werden die Bodenbakterien damit fertig und habe Zeit, sich auf mehr einzustellen. Fällt zuviel an, schlägt die Stunde der Cyanobakterien.
  5. Ein frischer Boden ist nach 4 Wochen noch nicht in der Lage, den Mist der Pflanzenabfälle eines zu 75-80% bewachsenen Aquariums zu verarbeiten, es ist unerheblich, ob der Mist von schnell- oder langsam wachsenden Pflanzen erzeugt wird. Die schnellwachsenden sorgen zwar für kräftigen Nitratabbau, das Nitrat spielt hier aber keine Rolle. Der Pflanzenmist ist das gefundenes Fressen für die Cyanobakterien.
  6. Cyanobakterien überleben längere Dunkelheit mit Sauerstoffzufuhr nicht, die Bodenfauna kann, von Konkurrenz befreit, nachziehen und etwaigen Überlebenden zusätzlich das Debris wegfuttern.

So, und nun muss jeder selbst entscheiden, wie er sein Aquarium einfährt.