Ein neues Revier
Trotz der Hexe wuchsen wir heran, wir lernten, daß wir in dem Hornkraut am sichersten waren.
Kritisch waren nur die Tage, wenn Vallisnerien, Javamoos und Hornkraut geerntet wurden und wir
fast ohne Deckung dastanden. Andererseits hatte dies den Vorteil, dass sich jedesmal neue Labyrinthe bildeten,
die auch die Hexe erst mal erkunden musste.
Dies wurde mit der Zeit immer mühsamer, und als sich die ersten Ansätze unseres Primärschwertes
zeigten, konnte sie uns unter der Holzwurzel nicht mehr finden. Eines Abends legte sie sich auf die Seite,
und am nächsten Morgen hatten die Schnecken sie begraben.
Man sollte meinen, dass wir in Ruhe und Frieden weiterleben und uns zu kräftigen Helleri-Männchen
entwickeln können, da war schon ausserhalb des Aquariums Hektik zu bemerken. Obendrein kam kein Futter mehr,
so dass wir uns von den braunen Bodenflocken ernährten.
Bald kam wieder der Zeitpunkt der Vallisnerien- und Hornkrauternte, diese fiel etwas heftiger aus, zuletzt
gab es keine Pflanzen mehr im Aquarium.
Nun sah man erst, wie groß das alles war. Es kam uns alles unheimlich vor, und wir blieben unter der
breiten Wurzel versteckt. Wir verließen auch nicht unser Versteck, als der Wasserspiegel begann, bedrohlich zu sinken.
Plötzlich war da wieder dieses rosa- hellgrüne Licht, man hatte die Wurzel weggenommen. Eine Stimme rief:
"Herrje, da sitzen noch zwei Rote!" Die Wurzel kam wieder herab, und wir hatten so 2 Tage lang Ruhe.
Dann war sie wieder da, die Geissel unserer Jugend, das Fangnetz!
Wir rasten von einer Aquarienecke in die andere, sprangen über Steine, suchten Deckung in den letzten Resten des Javamooses, gnadenlos
aufgestöbert und verfolgt von diesem Teufelsnetz! Doch nach einer Stunde hörte
die Jagd auf, und die Stimme sagte: "Die haben zu früh gemerkt, was los ist, ich warte bis zur Mittagspause."
Erschöpft kauerten wir einige Stunden auf dem Kies, dann griffen große Hände in den Boden und verschoben ihn so, dass
wir in einer immer kleineren Pfütze schwammen. Das grausame Netz kam, hob uns in die Luft und stieß uns in einen Eimer.
Etwas später hörten wir: "Scheisse, die Lampe ist durchgerostet! Alles Einzelteile hier in der Hand!"
Wieder ging es in einem dunklen Gefäß schaukelnd über Straßen, dann wurden wir in ein kleines Aquarium
gekippt. Als Trost fanden wir das gleiche pflanzensafthaltige Wasser wie in der alten Welt wieder, ebenso unser Wurzelversteck, unser Hornkraut und
unsere Rotala-Ranken.
Aber auch hier sollten wir noch nicht zur Ruhe kommen, obwohl es uns in dem grünen Dämmerlicht des Wintergartens
gut gefiel. Wieder wurden die Pflanzen und die Wurzel herausgenommen, wieder der Wasserstand erniedrigt, das Netz kam,
und diesmal ging es nicht in einen Bottich, sondern sofort in ein Aquarium, genauso groß wie das
am Starenweg. Hier fanden wir auch die Höhlen, die Wurzeln und die Pflanzen wieder, allerdings nur winzige Mengen
davon. Zwei gleißend rosa-weisse Sonnen blendete uns, dem Hornkraut gelang es nicht, uns davor zu schützen.
Doch dann merkten wir, dass es genau zwischen den Sonnen, im oberen Teil der Aquarienmitte eine Schattenzone gab,
wo wir von dem grellen Licht einigermaßen sicher waren.
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